Hängeenergie

Seit einigen Tagen ermahne ich mich, doch wieder einen Artikel für meinen Blog zu schreiben und schiebe dieses Vorhaben vor mir her. Wo ist das Problem? Es gibt ja Vieles, über das ich berichten könnte.
Ist es zu heiß zum schreiben?
Kann ich keinen rechten Anfang finden, die Angst vor’m leeren Blatt?
Befürchtungen nicht gut genug zu schreiben, meinen LeserInnen nichts Interessantes anbieten zu können?
Und wie ich mich mit diesen Fragen beschäftige und es sich langsam energetisch etwas schwer anfühlt, habe ich damit mein aktuelles Thema gefunden…

„Die Hängeenergie“

Was ist das, werden Sie fragen. Ich habe den Begriff zum ersten Mal während meiner therapeutischen Ausbildung in den 90ern gehört. Aber ich glaube, das Phänomen haben auch schon andere vorher unter ähnlichem Namen beschrieben.

Es meint den energetischen Raum zwischen „Eigentlich möchte oder müsste ich noch dieses und jenes Projekt anpacken“ und der konkreten Umsetzung.
Die Steuererklärung machen, regelmäßig laufen gehen, den Keller entrümpeln, endlich mal auf dem Jakobsweg pilgern,….
Wir haben alle viele große und kleine Projekte dieser Art. Von mir weiß, von Ihnen vermute ich es.

Ich habe in meiner Ausbildung gelernt, das es Energien stimuliert, seinen primäre Impulsen zu folgen. Ein primäre Impuls kann so etwas Großes sein wie, „ich würde gerne mal den Jakobsweg nach Santiago de Compostela pilgern“. Aber auch etwas Kleines, wie meiner Tochter abends eine Gutenachtgeschichte vorzulesen. (Heute sind meine Töchter zu alt dafür, aber beide haben das sehr lebendig als regelmäßige gemeinsame Zeit miteinander in Erinnerung.)

Oder mich mit einem Freund einmal im Monat zum gemeinsamen Frühstück zu treffen. Oder am Wochenende lange Ausschlafen und in Ruhe die Zeitung lesen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Wichtig ist anzumerken, daß wir – wenn wir den durchschnittlichen Wert messen könnten – über verschiedene Energiezirkulationen verfügen.

Person A, eher melancholisch veranlagt mit gelegentlichen depressiven Episoden hat sicher eine geringe Zirkulation als ein charismatischer Rocksänger oder beispielsweise die ausdruckstarke Schaupielerin und Sängerin Anke Engelke,

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hier mit Ihrer Showband „Fred Kellner und die famosen Soulsisters“ bei Ihrem umjubelten Konzert in der Bonner Harmonie im Januar.

Es gibt viele, viele Projekte, die wir umsetzen könnten. Und diese wandeln sich mit der Zeit, mit dem Älterwerden und mit unseren Interessensgebieten. Große und kleine, alte und neue Projekte.

Sie können ja beim Lesen einem Moment innehalten und überlegen, was Sie „eigentlich (noch) alles möchten und tun müssten….“

Und Sie merken vielleicht, wie Sie das Spielen mit diesen Ideen (etwas) belebt, beseelt, beflügelt,… Es tut gut, sich mit seinen primären Impulsen, seinen Träumen und Wünschen zu beschäftigen.

Was hat das nun mit der Hängeenergie zu tun?

Leider haben wir immer wieder Ideen und Projekte, die wir nicht bald umsetzen oder sogar sehr lange vor uns herschieben. Solche die uns wirklich am Herzen liegen wie die Pilgertour oder eben die leidige, aber notwendige Steuererklärung.  Diese machen wir ja sowieso nach langem Aufschieben irgendwann, aber bis es soweit ist, war es wieder eine mühsame Zeit.

Hängeenergie meint also die Energie, die in den Projekten gebunden ist, die wir eigentlich angehen wollen, aber doch nicht umsetzen. Hierbei hat das „Eigentlich möchte ich…“ nichts Belebendes mehr, sondern wir erleben es eher als niederdrückend „Ich muß ja noch…“.

Hängeenergie bindet bis zur Umsetzung einiges unserer Energie. Unter dem Strich kostet uns das aber in der Regel mehr (und manchmal viel mehr) Energie, als wir zur baldigen Umsetzung benötigen würden.

Ich demonstriere das in meinen Seminaren oder Beratungsstunden sehr plastisch an einem DIN A4-Blatt. Dieses Blatt symbolisiert die uns momentan zur Verfügung stehende Energie. („Energie“ verstehe ich dabei als die uns zur Verfügung stehende geistige, spirituelle, kreative und körperliche Kraft.)
Und dann zähle ich all die Projekte auf, die wir eigentlich angehen wollen, aber dann doch nicht anpacken. Und für jedes nicht angepackte Projekt reiße ich ein Stück Papier ab:

  • Die Steuererklärung, die ich vor mir her schiebe
  • Das gemeinsame Essen, dass ich mit Freunden seit Monaten plane
  • Die Aussprache, die ich mit einem Kollegen über einen heftigen Konflikt vor drei Monaten noch führen möchte
  • Den Tangokurs mit meiner Frau, den ich ihr schon vor 2 Jahren versprochen habe und zwischen uns heute kaum noch aggressionsfrei ansprechen kann
  • Der Keller, der „eigentlich“ ja mal entrümpelt werden soll
  • Das immer wieder aufgeschobene Telefonat für den nächsten Vorsorgetermin, den ich  im meinem Alter regelmäßig wahrnehmen sollte
  • Den Kinogutschein, den ich meinem Patenkind vor 6 Monaten geschenkt habe und der auf Einlösung wartet
  • Das Gartenstück, auf dem wir in der nächsten Saison eigene Tomaten züchten wollten, muss umgegraben werden
  • Die Hose, die ich in meiner Eitelkeit eine Größe zu eng gekauft habe, muss rechtzeitig vor Ablauf der Frist umgetauscht werden
  • ………
  • ………
  • ………
  • ………

Ich habe Ihnen ein paar Anstriche frei gelassen, wo Sie bei Bedarf ein Paar ihrer unerledigten Projekte reindenken können.

Und am Ende meiner Aufzählung habe ich ein deutlich kleineres Stück Papier in der Hand, als zu Beginn der Übung. Manches Mal, wenn es um besonderes zähe Entscheidungen geht, nur noch einen kleinen Schnipsel Papier, vielleicht in Größe DIN-A8 oder noch kleiner.
Etwa dann, wenn ein schwere Entscheidung ansteht und an uns zehrt, wie die Aufgabe einer mit viel Geld und Arbeit lange aufgebauten – aber seit Jahren ungenutzten – Briefmarkensammlung oder den beruflichen Stellenwechsel, seit Jahren immer wieder heraus geschoben.

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Und manche TeilnehmerInnen oder KlientInnen schauen mich mit offenem Mund an und sagen dann, „Genau, soviel Energie habe ich im Moment noch zur Verfügung“. Zumindest fühlt es sich so an, als könnte man im Moment nicht wirklich viel ausrichten oder sich zur Veränderung aufraffen. „Bäume ausreißen“ fühlt sich anders an!

Was also tun mit dieser Hängeenergie? Wie aus diesem Zustand herauskommen? Ich möchte Ihnen die folgenden Punkte vorschlagen.

     1. Anpacken

Sicher befriedigender als das lange Aufschieben ist das gezielte Abarbeiten meiner Projekte!
Um einen Überblick zu bekommen ist die gute alte Tu-Was-Liste ganz hilfreich. Schreiben Sie all ihre unerledigten Projekte auf und entscheiden Sie, wann sie diese angehen werden. Mit genauem Termin. Sprechen Sie mit den Menschen, die dabei beteiligt sind. Schauen Sie, wer Ihnen helfen kann, diese Projekte umzusetzen.
Und Sie können die wirklich wichtigen und die weniger wichtigen oder einfach nur notwendigen voneinander trennen.

Und beginnen Sie mit dem oder den allerwichtigsten und den ungeliebtesten Projekten. Denn da ist auch die meiste Energie gebunden.

Das klingt vielleicht leichter als es umzusetzen ist. Sie brauchen zumindest den Willen, diesen Projekten Vorrang einzuräumen und sie beispielsweise gegen den üblichen TV-Abend, die freiwilligen Überstunden oder andere altbekannte Verhinderer durchzusetzen. Das ist meines Erachtens letztlich vor allem eine reine Willensentscheidung. Wenn das im Kopf geklärt ist, ist die Umsetzung kein großes Problem mehr. Vielleicht müssen noch ihren eigenen Perfektionismus, der Sie bisher eher gebremst hat, im Zaum halten.

Das lange verschobene Essen können Sie vielleicht mit Verweis auf die lange Hängezeit in die Hände ihrer Freunde geben und sich bereit erklären, zum vereinbarten Termin die Getränke zu besorgen. Für die Steuererklärung reservieren Sie einen ganzen Samstag und belohnen sich mit einer tollen Sache am Sonntag, die ihnen besonders Spaß macht. Vielleicht sogar den Kinogutschein mit ihrem Patenkind einlösen und abends mit ihrer Frau beim sonntäglichen Tangoabend auf den Geschmack für den schon so lange geplanten Kurs kommen.

Meine Erfahrung ist, die Umsetzung dieser lang vor sich her geschobenen Projekte setzt Energien frei und macht Sie dabei und danach zufriedener.

Und natürlich schmilzt die Liste, bis irgendwann wieder neue Projekte zur Umsetzung auftauchen. Hängen Sie die abgehakte Liste zur Motivation einige Wochen nach dem letzten Haken gut sichtbar an einen Ort, an dem Sie oft vorbeikommen. Den Badezimmerspiegel, über den Nachttischschrank, an den Kellereingang. Das motiviert Sie, auch weiter ihre Projekte abzuarbeiten und aus der Hängeenergie heraus in mehr Bewegung zu kommen.

     2. Verabschieden und freier werden

Vielleicht schieben Sie ein Projekt auch deshalb so lange vor sich her, weil es sie nicht wirklich mehr interessiert.
Es ist aus einer Laune heraus entschieden worden, aber nicht wirklich „Ihr Ding“. Dann lassen Sie es los, verabschieden Sie sich von der Idee.

Sie müssen nicht alles umsetzen, was Sie sich einmal überlegt haben. Das Leben fließt, manches was uns noch vor zwei Jahren wichtig war oder sogar vor drei Monaten, hat mittlerweile an Anziehungskraft verloren. Also weg damit! Wenn Sie etwas loslassen oder verabschieden und es war noch zu früh, werden sie das schon bald merken. Dann meldet es sich nämlich wieder mit inneren Bildern oder einem nagenden Gefühl. Und dann lohnt es noch einmal über seine Wichtigkeit und Umsetzung nachzudenken.

Aber in  meiner Erfahrung sind viele dieser Projekte, die ich hinter mir gelassen habe, dann auch „durch“. Es ist etwas anderes an ihre Stelle getreten. Wenn der Keller wirklich einmal gründlich entrümpelt wurde, müssen Sie in drei Monaten schon sehr lange grübeln, was Sie da eigentlich so lange gesammelt hatten. Die Taufpatin unserer größeren Tochter hatte einen Koffer, den sie nach einem Umzug unbedingt aufheben wollte. Ihr Mann hatte diesen nach einem Jahr irrtümlich entsorgt. Auf Nachfrage konnte sie sich aber einfach an keinen Gegenstand erinnern, der in diesem Koffer war.

Oder Sie haben aus einer Trendlaune heraus ein besonderes Sportgerät gekauft, aber es nie benutzt, nie einen Kurs oder Verein zum Erlernen besucht. Es staubt nur im Keller ein. Weg damit, war halt ein Fehlkauf! Sie werden es vermutlich eh nie mehr ausprobieren.

Das heißt, über die Umsetzung oder Verabschiedung meiner verschiedenen Projekte kann ich es schaffen, aus dem Zustand der Hängeenergie herauszukommen. Wir begrenzen die aufgeschobenen Dinge auf ein überschau- und handhabbares Maß. Wir haben dann nicht mehr viele ungenutzte Dinge im Keller oder auf unserer Liste, sondern auch den Kopf freier und unser Leben fühlt sich leichter an.

      3. Gelassen ertragen

Auch wenn uns das viele Ratgeberbücher oder Blogs nahelegen, nur mit der richtigen Einstellung alleine, alles jetzt und sofort erledigen zu können,  glaube ich, dass das für viele Menschen  – und da schließe ich mich ein – nicht sofort klappt.
Wir Menschen lieben unsere Gewohnheiten, eben auch die, Manches vor uns her zuschieben. Wir sind nicht immer nur dynamisch, zielorientiert, zupackend… Wir haben alle mehr oder weniger unsere Beharrungstendenzen, inneren Aufschieber, schnelle Ausreden.

Leider sitzen uns diese unerledigten Dinge aber auch im Nacken und melden sich gerne wieder: „Du musst aber noch…“ und sorgen für schlechte Gefühle. Wenn wir es sehr lange aufschieben, wächst der Druck oder es wird dann „auf die Schnelle“  nur unzureichend erledigt. Und das bringt dann neue Unannehmlichkeiten…

Was wir aber machen können, ist uns mit den verbliebenen unerledigten Projekten nicht auch noch selbst  „fertigzumachen“. Sondern sie bis zur Erledigung gelassen als einen Teil unseres Wesens zu akzeptieren. Wie ein alter Freund, der zu unserem Leben gehört. Deswegen brauchen wir nicht schon mit schlechter Laune aufzustehen. Sondern den unerledigten Projekten  mit der selben Freude, wie wir etwa  morgens die Katze füttern, zurufen. „Ihr kommt auch noch dran und so lange dämmert weiter schön vor Euch hin“. Mit dem Wissen, das es uns besser geht, wenn wir es (endlich) erledigt haben.
Und zur Unterstützung einen Termin festlegen, wann wir erneut über Anpacken, Verabschieden oder doch noch Weiterschlummern entscheiden wollen.

Manchmal erledigt sich auch schon mal ein ungelöstes Projekt von alleine. Etwa: Der Hauptkonkurrent meines Arbeitgebers, der mich schon lange mit deutlich höheren Gehalt und Dienstwagen zu einem Wechsel in seine Firma fern meiner geliebten Heimat motivieren möchte, geht in Konkurs.

Natürlich können wir nicht all unsere Wünsche und Träume einlösen. Dafür begrenzt die Realität einfach immer wieder unsere Möglichkeiten. Aber viele dieser Wünsche bald umzusetzen, lässt uns in Bewegung kommen, neue Erfahrungen machen und zu mehr Glück und Zufriedenheit finden.

Vielleicht möchten Sie einige meiner Vorschläge ausprobieren. Ich würde mich über Ihre Erfahrungen freuen. Vielleicht sehen Sie die Sache auch etwas anders. Auch dann freue mich über Ihr Feedback.

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Fotos: Winfried Wershofen

4 Gedanken zu „Hängeenergie

  1. Hallo,

    interessante und informative Beiträge hier, super. Habe längere Zeit als stiller Gast nur mitgelesen und mich jetzt mal angemeldet.
    Ich würde mich freuen, wenn ihr bei Gelegenheit auch einmal auf meinem Blog zum Thema Textilreinigung vorbeischauen würdet.

    Alles Liebe

    Herbert

    Deoflecken

  2. Pingback: Wie Sie regelmäßiger pünktlich Feierabend machen könnten | Der Lebenswege Blog

  3. Hallo lieber Herr Wershofen, ich habe Sie eben im Blog von Roland Kopp-Wichmann entdeckt bei den Kommentaren :-). Der Lebenswege-Blog passt zu meinem Lebenstempo-Blog :-) … ich war neugierig auf Ihren „neuen Blog“.

    Schönes Wort: „Hängeenergie“. Ich lebe derzeit meine langsamere Gangart und komme auch so zu erstaunlichen Ergebnissen. Das „mich getrieben“ fühlen hat damit aufgehört. In der Hängematte liege ich dabei nicht wirklich, aber morgen ist ja Sonntag. Ich könnte doch mal den Liegestuhl aus der Ecke holen. Danke für die schönen Beispiele und weiterhin schönes Bloggen … kenne ich gut diesen Anfangsstau vorm leeren weißen Blatt Papier :-).

    Willkommen in der Blogger-Gemeinde.
    Herzlich vom Zürichsee. Petra Schuseil

    • Hallo Frau Schuseil,

      schönen Dank für Ihre lieben Worte. Darüber habe ich mich sehr gefreut!

      Ich habe Sie und Ihren Blog (auch über Herrn Kopp-Wichmann ;) ) vor wenigen Monaten schon entdecken dürfen. Neben dem ähnlichen Namen sind ja auch die Inhalte nahe beieinander.

      Wer sich genauer anschauen will, auf welchem Lebensweg er oder sie unterwegs ist und wie die nächsten Wahlen und Richtungen seines kommenden Lebens aussehen könnten, tut sicher gut daran, dies in einem gemächliche(re)n Tempo zu entscheiden.

      Stress – als einen inhaltlichen Schwerpunkt meines Schaffens – hat ganz viel auch mit einem zu hohem oder unangepasstem Lebenstempo zu tun.
      Da können wir uns sicher in Zukunft noch häufiger in unseren Blogs „begegnen“. Schön!

      Auch Ihnen alles Gute und besten Energien für Ihre Projekte.

      Herzliche Grüße aus Thüringen von einem Geburtstagsbesuch, etwas weg von meiner rheinischen Heimat.

      Winfried Wershofen

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