Selbstverantwortung – Wie ich sie sehe

Zwei Kinder spielen im Kinderzimmer, plötzlich gibt es einen lauten Knall. Erschreckt rennt der Vater hin, das Tablett mit den Keksen und dem Kakao liegt auf dem Boden, eine Tasse ist zerbrochen. Beide Kinder sagen sehr überzeugt: „Ich war das nicht“. Bei Kindern scheint die Ablehnung jeder Verantwortung (noch) die Regel zu sein…

Bei Erwachsenen auch? Eine Klientin „schimpft“ schon seit einigen Sitzungen immer mal wieder, dass ihre Eltern ihr damals nicht erlaubt haben, Gitarre zu lernen, obwohl sie sehr musikalisch ist und im Schulchor mitgesungen hatte. Stattdessen musste sie ab 11 Flöte lernen, bis sie die mit „15 in die Ecke warf“ und nie mehr anrührte. Mein Hinweis, sie könne ja nun sicher Noten lesen und heute als Erwachsene noch eine preiswerte Gitarre kaufen und an der VHS einen Kurs buchen oder mit einem Lehrbuch mit CD selbst erste Erfahrungen machen, verhallen ungehört. Sie „klebt“ lieber in ihrer Endlosschleife, dass sie jetzt mit 31 keine Profimusikerin mehr werden könnte und ihre Eltern „ihre Karriere versaut haben“.
Das ist mein Thema für heute: Wie sieht es aus mit der Selbstverantwortung?

Verantwortung für mein Tun und Nicht-Tun übernehmen

Für mich ist Selbstverantwortung im Idealzustand, dass ich für alle mein Leben und meine Taten die Verantwortung übernehme. Niemand anderes kann das tun. So ist zumindest das Ideal. Auch wenn ich selbst da auch schon mal „Rückfälle“ bei mir feststelle und über die anderen vermeintlich „Verantwortlichen“ schimpfe, wenn etwas nicht geklappt hat oder ich einen Gegenstand verlegt habe.
Das heißt, ich bin immer verantwortlich für die eigenen Taten mit allen Konsequenzen sowie auch für das eigene Unterlassen. So kann ich mein Leben selbstbestimmt leben. Der Schwerpunkt liegt dann mehr auf der Suche nach Möglichkeiten und weniger im Blick darauf, was wieder alles schief gegangen ist oder unmöglich scheint. Die Gefahr ist sonst recht groß, sich in Problemschleifen zu verlieren. Alles, was mir heute passiert und wo ich stehe, ist das Ergebnis meines Handelns oder Unterlassens.

Wenn meine Klientin aufhören könnte zu jammern, wäre sie in der Lage, ihren Frieden damit zu machen, wie es damals gelaufen ist. Jetzt sogar trotz aller eventuell verlorenen Zeit immer noch Gitarre beginnen zu lernen. Auch wenn sie vermutlich keine Profikarriere mehr macht. Der italienische Liedermacher Paolo Conte hat seinen internationalen Durchbruch mit Mitte/Ende 30. Dazu kommt, dass wir nicht alle unseren Wünsche umsetzen können.

Und was ich hier für meine Lebensplanung und andere große Entscheidungen postuliere, gilt auch bei kleinen Dingen. Wenn ich einen Fehler gemacht habe, bitte ich um Entschuldigung. Wenn ich etwas beschädigt habe, sorge ich für Ersatz.

Ein aktuelles Beispiel: An der Kasse im Supermarkt bemerkt die Kassiererin, dass ein Ei im Karton kaputt ist und bietet mir an, es gegen ein ganzes auszutauschen. Ich meine, ich habe den Karton selbst fallen lassen, als ich ohne Lesebrille auf der Olivenölflasche nach Informationen suche. Ich würde ein Spiegelei daraus machen. Sie schaut mich erstaunt an, das hätte sie selten. Die meisten Kunden, denen etwas hinfällt, tauschen es aus und das Geschäft hat den Schaden.

Das mag Ihnen unbedeutend erscheinen. Ich bin von meinen Eltern so erzogen worden und das ist bis heute prägend. Mein Vater nahm mir im Alter von 11 oder 12 Jahren einmal ein Kartenquartett mit Horrorköpfen weg. Das war damals eine Welle, die aus den USA herüber schwappte. Ich fand diese Karten toll und faszinierend, er fand sie widerwärtig. Aber er ersetzte mir den Kaufpreis, nachdem er sie zerrissen und in den Müll geworfen hatte. Trotz meines Ärgers hat dieser Ersatz bei mir Eindruck gemacht und ich erinnere mich bis heute daran.

Lieber Klagen als Handeln

Immer wieder höre ich Klagen. Weil der und der das und das gemacht hat, bin ich so oder ist mir das und das passiert. Ich bin das Opfer der Eltern, des Arbeitgebers oder der Zustände.

Es scheint, es ist bequemer jahrelang über den Stress im Betrieb oder den vermeintlich unfähigen Vorgesetzten zu klagen, als sich um eine Veränderung zu bemühen oder eine neue Stelle zu suchen oder sich selbständig zu machen.

Ich bin auch immer Teil eines Systems. Vielleicht habe ich meine Möglichkeiten zur Veränderung des Systems nicht genug genutzt. Vielleicht habe ich sie auch gar nicht gesehen oder war zu bequem etwas zu unternehmen. Klar ist auch, wer etwas verändern will, kann bei anderen anecken oder sich unbeliebt machen. Es erinnert mich an den vor Jahren einmal gelesenen Satz: „Viele ziehen das bekannte Unglück dem unbekannten Glück vor.“

 

Das Beste aus dem machen, was meine Eltern mir mitgaben

Hier ist mein Appell: „Aus der Opferhaltung herauskommen und hinein in die Schöpferrolle.“ (Autor anonym).

Ich kann und sollte versuchen, das Beste aus dem zu machen, was ich in meinen Genen und in meiner Erziehung mitbekommen habe. Das heißt, etwaige Fehler meiner Eltern in ihrer Erziehung oder unqualifizierter Lehrer in der Schule auszugleichen oder sogar überwinden zu können.
Gerade bei den Eltern ist eine Haltung hilfreich, dass sie es aus Liebe und mit ihrem Wissen gemacht haben und es manchmal einfach nicht besser wussten. Bei meinen eigenen Eltern, die in der NS-Zeit aufgewachsen sind und schlimme bis traumatische Kriegserfahrungen gemacht haben, weiß ich heute: Sie haben es aus Liebe gemacht und so gut, wie sie es eben wussten und konnten. Dass mir da manches nicht gut getan hat, dafür gab es dann später Selbsterfahrung, Therapie und Therapieausbildung und einfach das gelebte Leben, um Fehler und Defizite auszugleichen und zu überwinden. Und ihnen für ihre Leistung zu danken und ihnen ihre Fehler zu vergeben.

Es gilt also dann, analog zu Sartres Thesen, das Beste aus dem zu machen, was wir mitbekommen haben. Auch wenn wir in unserem Aufwachsen nur „schlechte Karten“ erhalten haben, können wir damit ein gutes Spiel machen.
Das stelle ich auch ganz real in meiner Männer-Doppelkopfrunde immer wieder fest. Auch mit guten Karten kann man verlieren und mit schlechten trotzdem ein Spiel gewinnen.

 

Es gibt keine Gene für Unglück, sondern es ist das Resultat persönlicher Entscheidungen

Ich erinnere mich an einem Bericht im Stern oder der Zeit über eine wissenschaftlichen Untersuchung zu eineiigen Zwillingen, deren Väter Alkoholiker waren. Als Erwachsene wurden sie wieder befragt. Bei einem Zwillingspaar war der eine Mann ebenfalls Alkoholiker geworden, der andere ein erfolgreicher Unternehmer. Und beide gaben als Erklärung für ihren Werdegang sinngemäß die Antwort: „das war doch klar bei meinem Vater…“

Während der eine den Vater als Entschuldigung für seinen Scheitern angab, fühlte sich der andere herausgefordert, etwas aus seinem Leben zu machen.

Es gibt immer wieder Erfolgsgeschichten von Menschen, die aus vermeintlich „schlechten Verhältnissen“ kamen und ihren Weg gegangen sind.

 

Ich kann wählen… immer

Das bedeutet, ich kann immer meine Wahlmöglichkeiten sehen und mich selbstverantwortlich für einen anderen Weg entscheiden. Heute kann ich etwas anders machen als gestern. Das kann eine Kleinigkeit sein wie keine bunten Hemden mehr tragen, anfangen regelmäßig zu joggen, statt über meine Rettungsringe am Bauch zu jammern. Oder VegetarierIn werden, die Arbeitsstelle zu wechseln oder sich nicht mehr von seinem Partner demütigen zu lassen. Ich kann mir einen Zeitpunkt setzen, bis wann ich entschieden habe, ob ich meine unbefriedigende Stelle aufgebe oder bleibe und täglich weiter jammere, wie schlecht es mir doch ergeht. Sie können weiter dort arbeiten, aber dann hören Sie das Jammern auf, wie ein dreijähriges Kind im Sandkasten, dem man sein Schäufelchen weggenommen hat. Denn bald will sich niemand mehr ihre Klagen anhören! Auch jeden Tag wieder zur unbefriedigenden Arbeit zu gehen, ist eine Wahl. Niemand steht morgens vor Ihrem Bett und bedroht Sie mit einer Waffe, dass Sie losgehen.

Das meint für mich auch, ich tue gut daran, mit all meinen Entscheidungen zu leben. Wenn sie mir nicht gefallen, dann eine Änderung herbeizuführen. Und wenn das nicht mehr möglich ist, sie als ein Ergebnis meiner früheren Wahl zu akzeptieren und aufzuhören, nach irgendjemand zu suchen, der Schuld sein muss. Alle, nur ich nicht.

Das verlangt innehalten und sicher auch schon mal etwas Trauerarbeit. Über vertane Chancen, über verpasste Gelegenheiten, über gemachte Fehler. Diese Trauerarbeit ermöglicht eine realistische Sicht auf die Dinge, bringt eine Art von Versöhnung mit den Zuständen mit sich und oft auch eine erweiterte Sicht auf neue Optionen. Wenn mir alles gelingen würde, das wäre ja fast gottgleich.

Das Leben ist so bunt und vielfältig, dass sich immer neue Türen öffnen, wenn ich alte geschlossen oder wütend zugeworfen habe. Ich muss die Konsequenzen meiner Handlungen tragen.

Die beliebte Suche nach Schuldigen raubt endlos Energien und verändert nichts. Es sorgt her nur für Streit mit meinem Umfeld. Anstatt die aussichtsreichere Frage zu stellen, was man nun zur Lösung unternehmen kann und wer mich dabei unterstützen kann. Und sich kurz verständigt, welche Fehler man/frau das nächste Mal nicht wieder begeht.

Handeln ist hier viel wertvoller und aussichtsreicher als klagen! Wenn ich alle

Ich trage alleine die Verantwortung für mein Leben

Verantwortung übernehme, bin ich auch handlungsfähig. Wenn ich denke, dass die anderen ja verantwortlich sind, wähle ich die Ohnmacht. Dann kann ich auch nichts verändern.

Auch meine Gefühle wähle ich

Ich entscheide, wie ich mit Ereignissen in meinem Leben umgehe, wie ich darauf reagiere. Vor einigen Jahren kam ich von einem Seminar aus Thüringen zurück, war müde und wollte so schnell es geht, nach Hause. Beim Einlaufen am Bahnhof am Frankfurter Flughafen wurde im verspäteten ICE durchgegeben, der nächste Anschluss wartet am gegenüber liegenden Gleis. Trotz der Warteankündigung fuhr der Zug los, ich hatte den Griff schon der Hand! Und habe mich fürchterlich aufgeregt…

  • über die verantwortungslose Bahn
  • über den schlechten Service
  • über eine fehlende Bitte um Verständnis oder ein Bedauern für die Falschinformation
  • über die verlorene Zeit usw.

Geholfen hat das natürlich alles nichts, ich schade mir höchstens selbst. Ich kann wählen, dass so etwas wohl auch leider zum Leben gehört und die Kunst des Wartens lernen . Mir einen Kaffee oder Tee gönnen und 40 Minuten geduldig auf den nächsten Anschluss warten.

Ich habe einen Termin mit einem Freund, und er kommt nicht zum vereinbarten Zeitpunkt. Schimpfe ich nur herum oder versuche ich, ihn zu erreichen und das Beste aus der Situation zu machen? Wenn ich ewig warte, verleugne ich die Realität. Wenn ich ihn deswegen nicht mehr sehen will, verleugne ich meine Bedürfnisse. Es kann ja auch einen guten Grund für sein Nichtkommen geben.

Ein weiteres Beispiel:
Der amerikanische Zen-Mönsch Claude AnShin Thomas beschreibt in seinem Buch „Am Tor zur Hölle“ eine Situation, die er in einem Zugabteil erlebt hat. Ein Mitfahrer zündet sich eine Zigarette an, obwohl auf Schildern das Rauchen ausdrücklich verboten ist. Er sagt „Entschuldigung“ und deutet auf das Verbotsschild. Der Mann raucht trotzdem. Thomas erster Impuls ist, ihm die Zigarette und das Feuerzeug wegzunehmen und ihm zu drohen, er solle keinen zweiten Versuche starten. Als ehemaliger Soldat in Vietnam nach eigener Aussage für den Tod von Hunderte von Vietnamesen (mit-)verantwortlich, wäre ihm das vermutlich leicht gefallen. Aber diese Kriegseinsatz hat ihn schwer traumatisiert und nach seiner Rückkehr in die USA (mit vielen Jahren mit Schlaflosigkeit, Alkohol- und Drogenmissbrauch) seine Wandlung zur Gewaltfreiheit und seinen Weg zum Bettelmönch ausgelöst.

Jetzt reagiert er anders:

„In dem Augenblick wurde die Natur meines Leidens manifest. Der Zorn, den ich angesichts seines Rauchens verspürte, war mein Leiden, und dafür war er nicht verantwortlich. Im Gegenteil – er machte mir ein großes Geschenk: die Gelegenheit, die Natur meines Leidens zu berühren; er war meine Glocke der Achtsamkeit. Ich hielt inne und kehrte zu meinem Atem zurück, ich atmete ein und ich atmete aus. Als ich ihm zusah, wie er die Zigarette anzündete, war ich in der Lage zu sagen: „Es tut mir leid, dass du dein Leben auf diese Weise zerstören musst. Es tut mir leid, dass du derart leidest.“ Und ich verneigte mich vor ihm…“

Sie steigen am selben Bahnhof aus und kommen später in einem Park miteinander ins Gespräch. Thomas erläutert dem jungen Raucher, das er ihm nicht seine Ansichten aufdrängen (Rauchen ist schädlich) könne. Aber durch die Aggressivität seiner Handlung lade er andere ebenfalls zur Aggressivität ein und ein anderer Mitreisender hätte vollkommen anders reagieren können. Und  er ergänzt:

„Meine Gefühle kommen nicht von außen. Sie sind in mir gegenäwrtig. Mit ihnen kann ich arbeiten. Ich muss akzeptieren, dass alles, was ich empfinde – Wut, Verzweiflung, Verwirrung, einfach alles -, in mir ist. Ein Produkt meiner selbst. Ich mag das Verhalten anderer Menschen unagemessen finden, doch ist es nicht an mir, sie zu ändern. Ich könnte es auch gar nicht…“

 

Mein Leben und meine Entscheidungen akzeptieren

Ich muss mein Leben mit all seinen richtigen und falschen Entscheidungen als eigenes Gelebtes in Besitz nehmen. Ich kann nur das verändern, was mir gehört.

In Seminaren oder Einzelsitzungen erlebe ich immer wieder Menschen, die gesund sind und über genug Geld zu leben verfügen, aber die unglücklich sind, jammern und für die es „nie genug ist“ und die scheinbar nirgendwo ankommen können. Auch hier gilt der Fokus erst einmal auf Akzeptanz und vielleicht auch Dankbarkeit  für das Erreichte zu legen. Danach kann ich gezielte Veränderung in ausgesuchten Bereichen angehen, die zu mehr Zufriedenheit und Lebenssinn führen können.

In einer Paarberatung schreit der Mann, er sei überhaupt nicht aggressiv. In diesem Zustand hat er kein Gefühl dafür, was er verändern könnte. Wenn er nicht bereit ist einzugestehen, dass er es ist, der seine Frau schlägt und ihm nicht nur „einfach mal die Hand ausrutscht“, muss er sich nicht wundern, das seine Frau Angst vor ihm hat und ihn vielleicht deswegen verlassen will. Wegen seiner Ausbrüche hatte die Frau um einen Termin nachgefragt und ihn lange bedrängt, bis er endlichmürrisch einwilligte „einmal da mit hinzugehen“.

Dieses „in Besitz nehmen“ ist sicher manches Mal ein schmerzhafter Prozess. Ich behaupte aber, dass er notwendig und am Ende sogar heilsam und integrierend wirkt.

Engagieren und seine Grenzen sehen

Ich sehe mich als Teil eines größeren Systems. Darin kann ich mich einsetzen für das, was veränderbar ist und meinen Teil an Verantwortung beitragen..

Ich kann mir Hilfe suchen, wenn ich für private oder politische Anliegen Unterstützung brauche. Wenn ich mir Hilfe hole, sollte ich darauf achten, meine Freunde und Helfer nicht zu sehr zu strapazieren und dort zu viel abzuladen.

Ein Klientin, die ich vor Jahren einmal begleitete, war mit ihrem großen Thema der Bedürftigkeit so stark identifiziert, dass sie sich mit ihrem Ansinnen, ihre Freunde sollten sich permanent um sie kümmern, immer mehr in die Isolation trieb. Sie wurde immer seltener zum Geburtstagen eingeladen, ihre Mitteilungen auf deren Anrufbeantworter blieben zunehmend unbeantwortet und immer mehr Freunde zogen sich zurück. Sie fühlten sich „von ihr emotional ausgelutsch“ und „benutzt“, warf ihr eine verbliebene Freundin einmal im Streit an den Kopf. Sie wären nicht (mehr) in der Lage, ihr Schicksal mitzutragen.

Die Arbeit mit ihr fokussierte sich darauf, sich mehr auf sich selbst zu besinnen, sich mehr alleine für sich zu regulieren und ihre Umwelt nicht nur ausschließlich als Erfüller ihrer Bedürfnisse zu sehen.

Verantwortung übernehmen liegt scheinbar nicht im Trend

Gesellschaftlich gesehen, scheint zu seiner Verantwortung zu stehen und auch für eigene Verluste oder Schaden geradezustehen, leider nicht im Trend zu liegen. Etwa wenn ich in der letzten Bankenkrise an die Banken denken. Die Gewinne wurden jahrelang privatisiert, die nun drohenden Verluste, weil sie sich verzockt hatten, sollte bitteschön der Steuerzahler übernehmen. Und die Regierung sprang leider mit dem Bankenrettungsschirm ein.

Oder die Autohersteller wie VW, Audi oder Mercedes, die nicht bereit sind, für den Betrug an ihren Käufern mit Hilfe manipulierter Software einzustehen, die in vielen tausenden Diesel eingebaut wurde. Aktuell wurde nun immerhin Mercedes vom Verkehrsministerium zu einem Rückruf verpflichtet, den sie freiwillig nicht vornehmen wollten und ein Audi-Manager sitzt wegen selbst verschuldeter Vertuschungsvorwürfen in seiner Firma in Untersuchungshaft. Immerhin.

Wenn es also an großen Vorbildern mangelt, warum soll den der „kleine Mann“ und die „kleine Frau“ verantwortlich leben. Sie sehen es

  • an wilden Müllkippen im Naturschutzgebiet
  • an auf dem Supermarktparkplatz ausgeleerten Autoaschenbechern
  • am Dauerparken immer neuer Autos ohne Berechtigung auf Behindertenparkplätzen, obwohl der nächste freie Parkplatz 15 Meter weiter liegt

Egoismus statt Verantwortung für ein größeres Ganzes und damit Rücksichtnahme auf andere oder die Umwelt.

Früher war ich als Student politisch sehr engagiert und habe 1980 in Gorleben den Bauplatz als Protest gegen die ungeklärte und gefährliche Wiederaufbereitung des Mülls aus AKWs mit vielen anderen MitstreiterInnen besetzt. Diese Besetzung dauerte einen Monat und zeigte neben dem Protest auch Möglichkeiten selbstorganisierten gemeinsamen Lebens mit zum Teil fremden Menschen. Und ich habe bei der Räumung am Ende auch rüde Staatsgewalt am eigenen Leibe erfahren.
Heute denke ich, dass die Politik vieles nicht steuern kann und/oder will oder wankelmütig ist. Erst Atom-Ausstieg ja, bei der nächsten Regierung wieder nein und und nach der Katastrophe in Japan auf einmal doch. Die Politik ist meines Erachtens oft genug „nur“ Vollzugshelfer wirtschaftlicher Interessen.

Das wäre ja irgendwie auch paradiesisch, wenn alles so liefe, wie ich es mir wünsche.
Aber auch wenn die Politik da oben, oft „macht, was sie will“, habe ich genug Möglichkeiten, in meinem Umfeld mich zu engagieren: in einem Ehrenamt oder einer Bürgerinitiative, ich kann lokale Initiativen oder ein Bürgerbegehren unterstützen. Oder in meinem Umfeld Müll vermeiden, vegetarisch leben, Waren aus lokaler Produktion kaufen, nachbarschaftliche Projekte unterstützen, meinen Internethandel eindämmen oder nur bei Firmen kaufen, die in auch Deutschland ihre Steuern zahlen. Im Sinne Kants: so zu leben, das mein Handeln auch als Maßstab für alle gelten könnte. Ich bin für mein Seelenleben genauso verantwortlich wie für die gesellschaftlichen Lebensumstände, in denen ich mich bewege.

Meine Grenzen erkennen

Dabei ist es sinnvoll, seine Grenzen, aber vor allen seine Möglichkeiten zu sehen. Ich kann nicht alles erreichen, weil ich selbst geistige oder körperliche Grenzen habe, die finanziellen Mittel fehlen, meine Ideen einfach unrealistisch sind. Allerdings im Ausloten dieser Grenzen lerne ich viel über mich und andere und verschiebe meine Grenzen meist auch ein wenig. Manchmal muss ich loslassen und mich von meinen Wünschen und Ideen verabschieden.

Schließlich ich habe auch nicht alles in der Hand: Manchmal muss ich loslassen und je nach Glauben auf Gott oder die Zukunft vertrauen und Gelassenheit und Demut entwickeln.

Wenn ich einen Schicksalsschlag erleide, kann ich wählen, wie ich damit umgehe. Welche Antwort ich darauf in meiner Selbstver-antwort-ung gebe. Ich bleibe dabei immer verantowrtlich und handlungsfähig.
Daran kann ich in meiner Persönlichkeit wachsen, daran können wir alle wachsen. Nach einiger Zeit trotz Rückschlägen oder Niederlagen wieder Freude im Alltag leben.

 

Wie geht es Ihnen mit diesem Thema? Ich freue mich wie immer auf Ihre und eure Antworten!

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Fotos:  T-Shirt: Winfried Wershofen,   Mann mit Armen: Fotolia/photoschmidt


2 Gedanken zu „Selbstverantwortung – Wie ich sie sehe

  1. Hallo Winfried,

    ich habe mir gerade deinen wundervollen Artikel durchgelesen und finde diesen sehr informativ. Schön finde ich die einzelnen Abschnitte wie „Das Beste aus dem machen, was meine Eltern mir mitgaben“

    Ich persönlich finde Selbstverantwortung sehr wichtig und ein Teil des Erwachsenwerdens.

    Liebe Grüße
    Marie

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