Wer kennt das nicht? Sie wollen pünktlich um 16.00 Uhr Feierabend machen. Mit ihrer Tochter, die in einer Studenten-WG wohnt, endlich mal wieder Kaffee trinken gehen. Um 18.00 Uhr muss sie wieder zum Proseminar in die Universität. Es wäre also schön, pünktlich im Café zu sein.
Sie arbeiten sich so durch den Tag, immer die Uhrzeit im Blick. Aber die Mittagspause mit den KollegInnen wird dann doch wieder etwas länger. Es gab kontroverse Diskussion um betriebliche Themen. Um 15.15 Uhr fällt dem Kollegen ein, dass Sie für ihn ja noch einigen Unterlagen zusammenstellen müssen. Der Chef möchte dann auch noch etwas von Ihnen erledigt bekommen. Eine ungeliebte Terminsache liegt auch noch halbfertig auf Ihrem Schreibtisch. Sie schieben sie seit drei Tagen immer wieder hin- und her. Morgen früh muss Sie aber bei Ihrem Vorgesetzten auf dem Schreibtisch liegen.
Sie werden wohl Ihrer Tochter schweren Herzens für heute absagen und auf später mal vertrösten müssen. Jetzt stehen doch wieder Überstunden an. Passiert so oder ähnlich tausendfach täglich.
Das lässt sich sicher nicht immer vermeiden, dass kurz vor Schluss doch noch etwas Unaufschiebbares angepackt werden muss. Dafür werden Sie ja auch bezahlt. Ob alles Dringende wirklich so wichtig ist, liegt natürlich im Auge des Betrachters. Oder der „Wichtigkeit“ des Vorgesetzten.
Aber einige selbst verursachten Gründe für ärgerliche Engpässe kurz vor Feierabend könnten Sie vielleicht mit etwas Aufmerksamkeit in den Griff kriegen. Das Sie von Ihrer Seite nichts “anbrennen lassen“, Ihren Feierabend pünktlich zu beginnen. Dazu 8 Tipps:
1 ) Den Tag planen
Wie läuft ihr Arbeitstag ab? Planen Sie genau bis auf 5 Minutenschritte was sie heute arbeiten? Oder bestimmen vor allem Ihre Vorgesetzten und KollegInnen Ihre Arbeit? Oder ist es gemischt? Schaffen Sie alles, was Sie sich morgens vornehmen? Oder bleibt abends immer Einiges liegen?
Ich möchte Ihnen drei Vorschläge für eine realistische Tages-Planung machen.
a) Verplanen Sie nur 60 – max. 70% Ihrer Arbeitszeit mit auch an diesem Tag durchführbaren Arbeiten. Planen Sie den Rest für Unvorhergesehenes ein (Telefon, neue Aufgaben vom Chef, PC stürzt ab, Geplante Arbeiten dauern doch länger, schlechte Tagesform). Überprüfen Sie immer wieder ihre Einschätzung und arbeiten Sie an Ihrer Fähigkeit, Ihre Arbeiten realistisch zu planen. Und überprüfen Sie auch, ob sie längst für KollegInnen deren Arbeiten mit erledigen. Aus Gefälligkeit oder weil es sich „ergeben hat“. Hören Sie auf damit. Es kostet Ihre Zeit, Energie und Nerven. Und mache ihrer Arbeiten könnten (und sollten) auch der Praktikant oder eine/r Ihrer Untergebenen erledigen, je nach den Gegebenheiten und Ihrer Stellung im Betrieb.
b) Machen Sie schon am Vortag den Plan für den nächsten Tag, auch wenn Sie ihn morgens noch einmal überprüfen. Und legen Sie die benötigten Unterlagen soweit wie möglich heraus, vor allem die schon länger unvollendeten Dinge. Morgens können Sie sofort ohne Anlaufschwierigkeiten und ohne lange zu suchen, loslegen. Und Ihr Unbewusstes kann sich nachts schon auf die kommende Arbeit vorbereiten und „mitarbeiten“. Und Sie kontrollieren, was noch von heute liegengeblieben ist. Vielleicht können Sie den Tag mit einem immer gleichen Ritual den Tag beenden (AB anmachen, Blumen gießen, 30 Sekunden mit geschlossenen Augen dem Tag nachspüren).
c) Versuchen Sie, ungestörte Zeiten zu blocken, für die Sie besondere Aufmerksamkeit brauchen. Stellen Sie das Telefon ab oder bitten Sie KollegInnen, für eine begrenzte Zeit, das Telefon für sie mitzubedienen. Danach sind sie dann für die KollegInnen dran und arbeiten in ihrer Telefonzeit die nicht so wichtigen Dinge ab. Bei Führungskräften ist das die sogenannte „Stille Stunde“, in denen das Sekretariat rigoros alles abwimmelt und auf die Rückrufliste setzt.
2) Arbeit macht nicht immer nur Spaß
Wir alle müssen Aufgaben erledigen, die wir nicht lieben. Und so schieben wir sie vor uns her: Mit dem Chef über die ausstehende Gehaltserhöhung sprechen, das Archiv auf Vordermann bringen, den Wieder-Vorlagen-Ordner von alten überflüssigen gewordenen Briefen säubern, aber auch das wichtige Protokoll bald anfertigen…
Es ist hilfreich, solche ungeliebten Arbeiten nicht zu lange vor sich her zu schieben.
Am Besten zu Beginn am Morgen anpacken und emotionslos zu Ende bringen. „Eat the frog first“ wird das im Zeitmanagement genannt. Mit den denkintensivsten, unstrukturierten und unangenehmsten Aufgaben beginnen. Das bringt nach der Erledigung ein gutes Gefühl für den restlichen Tag, wo die beliebteren Aufgaben auf Sie warten. Zu ihrer Arbeit gehören eben auch die ungeliebten und schwierigen Arbeiten. Lange mit der Bearbeitung zu warten bringt nur Hängeenergie und häufig auch ein schlechtes Gefühl.
3) Den Gipfel-Effekt
Bei einer Bergtour mobilisieren wir am Schluss noch einmal alle Energie. Das Ziel steht ja schon vor Augen. Bei Kindern können sie das besonders gut beobachten. Wie sie trotz aller Murrerei bei der Wanderung wieder neue Energien haben, wenn gleich der leckere Eisbecher ruft.
Das heißt: Setzen sie ein Ziel ihrer Arbeit und fokussieren sie die Energie. Also nicht so lange arbeiten, bis sie irgendwann fertig sind. Nehmen Sie sich eine begrenzte Zeitspanne vor. „Den Abschlussbericht schreibe ich jetzt in einer Stunde zu Ende.“ Und versuchen Sie unbedingt, nicht den Zeitrahmen zu verlängern.
Am Anfang mag das ungewohnt sein, wenn Sie nicht schon sowieso so gearbeitet haben. Aber mit der Zeit kriegen Sie ein Gefühl für den konkreten Zeitbedarf und spornen sich selbst an, in dem geplanten Zeitrahmen zu bleiben.
4) Vermeidbare Störquellen eliminieren, Mailmelder und Handy aus
Schalten Sie, wenn irgend möglich, alle Störquellen aus.
Das Handy, den Mail-Piepser im PC und wenn es geht, auch das Telefon für eine begrenzte Zeit ausmachen, umleiten oder nicht annehmen.
In manchen Milieus hat die Überlastung erschreckende Formen angenommen: Ein Studie aus den USA sagt, Angestellte sind in einem normalen Bürotag zwischen Mails, Telefon und Konferenz nicht mehr als drei Minuten in der Lage, bei einer Sache zu bleiben. Abgesehen dass vieles unerledigt bleibt, ist der ständige Wechsel enorm anstrengend. Denn dafür ist unser Gehirn nicht gemacht.
Die Zeit ist nicht immer zu knapp, wir gehen nicht gut mit ihr um. Knapp ist dabei nicht die Zeit, sondern die durchgehend benötigte Aufmerksamkeit.
Diese Störungen (besonders in Großraumbüros) zeigen Wirkung: „Bis zu 23 Minuten (!) kann es es nach einer ungeplanten Unterbrechung dauern, bis wir uns wieder voll auf die ursprüngliche Aufgabe konzentrieren können“ schreibt die Wirtschaftswoche mit Bezug auf eine amerikanische Studie. 588 Millionen Dollar gingen der amerikanischen Wirtschaft jedes Jahr durch diese Störungen am Arbeitsplatz laut der Technologiefirma Basex verloren.
Versuchen Sie nur einmal pro Stunde die Mails zu checken und nur die absolut notwendigen zu beantworten und zumindest die Ablenkungen fernzuhalten, die sie selbst steuern können. Machen Sie den Hype um die allumfassende Erreichbarkeit nicht weiter mit, soweit es Ihr Betrieb möglich macht!
5) Liebe Deine Nächsten wie Dich selbst: Sage nein!
Über den Tag verteilt gibt es genug Möglichkeiten, für einen pünktlichen Feierabend zu sorgen, indem Sie öfters mal nein statt ja sagen. Der eher faule Kollege, der Sie so gerne wegen Ihrer Hilfsbereitschaft einspannt, kann seine Dinge „mal eben“ selbst erledigen. Neben der Hilfe geben Sie ihm auch ihre kostbare Zeit. Oder dem Chef, der plötzlich mit neuer Arbeit kommt, können Sie ausmalen, welche Arbeiten heute alle liegen bleiben, wenn Sie seinem Ansinnen nachkommen. Sie können ihm anbieten, morgen als erstes damit zu beginnen. Oft sind die ach so dringenden Sachen im Nachhinein doch nicht so wichtig gewesen, dass sie nicht auch einen Tag liegen hätten könnten.
Sie sorgen für Ihren Feierabend und zeigen sich trotzdem engagiert und arbeitswillig.
6) Behalten Sie Ihre Pausen bei
Sie haben in der Regel Anspruch auf mehrere Pausen. Die sollten Sie weiterhin nutzen, auch wenn Ihnen der Feierabendtermin etwas „im Nacken sitzt“.
Vielleicht gehen Sie heute einmal alleine zum Essen oder ziehen sich zurück, vermeiden neue Ablenkungen durch die Gespräche mit den KollegInnen. Essen Sie heute nur einen leichten Salat, machen eine kleine Entspannungsübung und fahren dadurch den Streßpegel im Körper herunter.
Auch ein Gehirn muss sich entspannen. Unter Stress verbraucht es bis zu 80% unserer Energie!
Gelassen werden Sie mit weniger Fehler weiterarbeiten, als wenn Sie keine Pause gemacht hätten.
7) Beachten Sie ihre inneren Antreiber
Innere Antreiber sind erlernte persönliche Muster, die uns das Leben ganz schön zur Hölle machen können. Antreiber wie “Mach schnell“, “Sei perfekt“ oder “Mach es allen recht“ haben wir uns meist im Elternhaus angeeignet und steuern oft entscheidend unser Verhalten als Erwachsene.
Aber immer schnell machen geht in de Regel mit erhöhter Fehleranfälligkeit einher. Es allen recht machen ist sowieso ein Ding, was keine/r kann. Also wählen Sie beispielsweise aus, wer heute seine Zuarbeit von Ihnen erhält und wer erst morgen bedient wird und setzen ihre eigenen Prioritäten.
Und immer alles perfekt machen… also in der Natur kommt das nicht vor.
Wie mir der Marburger Prof. Kaluza – einer der führenden deutschen Streßforscher – in einer Fortbildung sagte, klagen viele Vorgesetzte darüber, das die MitarbeiterInnen statt einer erwünschten Kurzskizze für eine neue Idee einen vielseitigen Bericht von der Stärke eines mehrmonatigen Projektabschlusses machen. Und damit bis zur Abgabe tage- und wochenlang vor allem den laufenden Betrieb aufhalten.
Weil es für perfekte MitarbeiterInnen eben „weniger perfekt“ nicht gibt.
Im schlimmsten Fall landet der ausführliche Bericht aber ungelesen in der Ablage, weil die betrieblichen Vorgänge mittlerweile schon wieder etwas anderes erfordern.
Für Ihre schriftlichen Arbeiten heißt das: Einmal schreiben, einmal überarbeiten, Fehlerkorrektur und weg damit. Gut statt sehr gut ist oft gut genug.
8) Vorbei ist vorbei
Ein leckeres Eis ist irgendwann mal aufgegessen, der Café Latte getrunken. Auch ihre tägliche Arbeitszeit hat ihr Ende. So wie Sie während des Eisessens nicht noch Kaugummi kauen oder Erdnüsse essen werden, sollten Sie auch mit ihrer Arbeit in Ruhe zu Ende kommen; erst recht wenn Sie pünktlich raus wollen.
Also „ Kannst Du bitte mal eben kurz noch etwas…..“ oder „Wir sollten eben kurz noch da neue Projekt besprechen“ und das 20 Minuten vor ihren geplanten Arbeitsschluss. Da kann es nur konsequent heißen: „Jetzt nicht“.
Immer im Lichte Ihrer betrieblichen Möglichkeiten, wo Sie widersprechen können.
„Mal eben“ oder „nur mal kurz“ dauert in der Regel deutlich länger!
Sie müssen nicht immer die schlechte (Zeit-)Planung ihres Umfeldes ausbaden. Leider herrscht ja überall auf Arbeit das Phänomen der Problemverschiebung. Der Kollege ist chaotisch organisiert, hält Sie mit seinen Fragen und Wünschen gerne kurz vor Schluss auf. Er wird so sein Problem los und Sie haben aber ein neues Problem, nämlich nicht pünktlich zu Ihrem Termin zu kommen. Natürlich sollten Sie selbst mit Ihren eigenen Anliegen auch frühzeitig bei KollegInnen und Vorgesetzten auftauchen.
- Okay, und nun?
Sie werden vielleicht sagen, „das ist leicht gesagt, aber die Umsetzung ist es leider nicht.“ Das wird wahrscheinlich auch stimmen. Sonst hätten Sie es längst locker gemacht.
Sie brauchen zur Umsetzung eine gewisse Hartnäckigkeit, um die Punkte, die Sie für richtig erachten, umzusetzen. Sie müssen immer wieder dran bleiben. Sich nicht von ersten Rückschlägen entmutigen lassen. Veränderung braucht Zeit.
Die Synapsen im Gehirn müssen neue Verbindungen knüpfen und die Verbindungen der alten (schlechten) Gewohnheiten überschreiben. Bei Ihnen und bei Ihren KollegInnen und Vorgesetzten, die nun zunehmend anders mit Ihnen umgehen müssen. Seien Sie nicht nur der Spielball der anderen, sondern werden Sie selbst initiativ und gestalten selbstbewusst ihren Arbeitsprozess.
Es kann natürlich alles so bleiben, wie bisher. Mit den beschriebenen Ärgernissen und den dazu gehörenden Klagen und geplatzten Terminen. Aber wenn es nicht so bleiben soll, müssen Sie etwas ändern! Freundlich, empathisch, hilfsbereit wie bisher. Aber auch selbstbewusst, abgegrenzt und reflektiert. Probieren Sie es aus und machen Sie ihre Erfahrungen was geht und welche Tipps für Sie und Ihren Betrieb ungeeignet ist.
Es gibt sicher noch einige weitere Ideen. Berichten Sir mir davon, was Sie ausprobieren und mit welchen anderen Ideen Sie gute Erfahrungen gemacht haben. Ich freue mich auf Ihre Rückmeldungen.
Oh ja, da gibt es bei mir noch Potential der Verbesserung! Ich bedanke mich für die sehr hilfreichen Tipps. Ich bekomme es so gut wie nie hin, pünktlich Feierabend zu haben, weil ich mir einfahc zu viel für den Tag vornehme… Da sollte ich anfangen anders zu planen.
Hallo,
ein super Artikel hast du da geschrieben :-)
Pünktlich Feierabend machen ist für mich besonders im Sommer wichtig.
Gruß
Claudia
Liebe Claudia,
bedankt.
Einen schönen Sommer!
Liebe Clara,
Ich glaube auch, daß es für eine Neuorientierung neue Ausrichtungen, Ziele, Verhaltensweisen und vor allem neue Einstellungen braucht. Dazu gehören auch die von Dir erwähnten Glaubensätze, die erstaunlicherweise vielen Betroffenen gar nicht richtig zugänglich sind. Weil sie oft unbewußt wirken (vielleicht schon viele Jahre lang) und daher schwer zu greifen sind.
Viel Erfolg mit Deinen Blog.
Hallo!
Ich lese deinen Blog sehr gerne, weil er sehr unterhaltsam und anschaulich geschrieben ist und immer den Nagel auf den Kopf trifft! Und außerdem von einem Thema handelt, dass mich auch sehr beschäftigt, weil es einfach jeden betrifft!
Ich habe, gerade in Zusammenhang mit Stress, unter anderem gute Erfahrungen mit dem umformulieren von alten Glaubenssätzen gemacht! Denn oft sind es wirklich die eigene Einstellung, die einem die klare Sicht auf die Dinge verwehrt…
Viele Grüße
Clara
http://langsam.jetzt/index.php/glaubensstze